In der Regel übernimmt das Jobcenter Unterkunftskosten nur dann, wenn diese angemessen hoch sind. Das Landessozialgericht (LSG) Darmstadt stellt in einem neuen Urteil über die angemessene Miete klar, dass selbst eine drohende Wohnungslosigkeit nichts daran ändert. Die Rechtslage bleibt aber nach wie vor undurchsichtig.
Drohende Wohnungslosigkeit wegen unangemessener Miete
Die (Un)angemessenheit von Mietkosten sorgt immer wieder für Konflikte zwischen Bürgergeldbeziehern und Jobcentern. So auch in einem Fall, den das hessische LSG erst kürzlich entscheiden musste: Die Klägerin ist Leistungsbezieherin und eine ehemalige Immobilienmaklerin, die Anfang 2023 wegen Mietschulden eine Kündigung von ihrem Vermieter erhielt.
Daraufhin suchte sie vergeblich nach einer neuen Wohnung, deren Mietkosten vom Jobcenter übernommen werden. Alle drei Angebote, die die Frau einreichte, seien entweder zu teuer oder zu groß gewesen, so das Jobcenter. Als die Zwangsräumung schließlich immer näher rückte, zog die Bürgergeldempfängerin vor Gericht.
Ermittlung der angemessen Miete in vier Schritten
Nachdem das Sozialgericht Frankfurt im März die Klage der Leistungsempfängerin abgelehnt hatte, muss sich das nun LSG in zweiter Instanz mit dem Fall befassen. Die Darmstädter Richter überprüften die Wohnungsangebote in ihrem Urteil auf eine angemessene Miete anhand von vier Kategorien:
- Wohnungsgröße
- Wohnungsstandards
- Nettokaltmiete
- Kalte Betriebskosten
Das Gericht orientierte sich bei der Bestimmung der Werte an dem Wohngeldgesetz (WoGG) sowie einem in der Rechtsprechung anerkannten Sicherheitszuschlag von 10%. Für die Klägerin ergeben sich folgende Werte:
Angemessenheitskriterium | Grenzwert |
---|---|
Wohnungsgröße | 35 - 50 Quadratmeter |
Nettokaltmiete (inklusive kalter Nebenkosten) ohne Sicherheitszuschlag | 633 EUR |
Nettokaltmiete (inklusive kalter Nebenkosten) mit Sicherheitszuschlag | 696 EUR |
Wichtig: Diese Grenzwerte sind auf die Leistungsempfängerin im Verfahren zugeschnitten. Allgemeingültige Aussagen über die Angemessenheit sind dagegen schwer zu treffen, da eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle bei der Ermittlung von Grenzwerten spielen. Insbesondere der Wohnort und die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen müssen berücksichtigt werden.
Alle Wohnungsangebote, die die Bürgergeldempfängerin dem Jobcenter vorgelegt hat, lagen entweder preis- oder größentechnisch über der Angemessenheitsgrenze. Das Jobcenter durfte deshalb eine Kostenübernahme ablehnen, bestätigte das Gericht.
Keine drohende Obdachlosigkeit
Verteidigt das Urteil also die angemessene Miete auch, wenn Wohnungslosigkeit droht? Ganz so einfach ist das nicht, wie die Richter klarstellten:
“Zwar ist der Schutz der Wohnung auch in Form des Behalts der Wohnung verfassungsrechtlich beachtlich, allerdings kann die drohende Wohnungslosigkeit keinen unbegrenzten Kostenübernahmeanspruch gegen den Antragsgegner begründen. Hierbei ist beachtlich, dass die Antragstellerin zwar von Wohnungslosigkeit bedroht ist, nicht aber von Obdachlosigkeit.”
Urteil des LSG Darmstadt, Aktenzeichen: L 7 AS 131/24 B ER
Denn die Klägerin habe gegenüber der Stadt einen Anspruch auf eine neue Bleibe. Ein entsprechendes Verfahren sei schon in Arbeit. Zudem hätte die Klägerin als Immobilienmaklerin die Möglichkeiten und Kontakte gehabt, um eine angemessen Wohnung zu finden. Insgesamt sprechen mehr Argumente gegen eine Kostenübernahme, als dafür, so das Gericht abschließend.