Das Bundessozialgericht in Kassel entschied, dass ein Häftling nach zwei Jahren Arbeit für ein Unternehmen während seiner Haftstrafe einen Anspruch auf ALG 1 hat. Bei der Ermittlung des Anspruches müssen Sonn- und Feiertage mitgezählt werden.
Ex-Häftlinge dürfen nicht anders behandelt werden als andere Arbeitnehmer
Ein Ex-Sträfling aus Thüringen arbeitete während seiner Freiheitsstrafe 20 Monate lang für ein Unternehmen. Nach seiner Entlassung im Februar 2012 stellte er einen Antrag auf Arbeitslosengeld 1 (ALG 1) in voller Überzeugung, die Voraussetzungen zu erfüllen.
Das zuständige Arbeitsamt sah den Anspruch des Betroffenen jedoch nicht als gegeben an, da er Berechnungen zufolge in den 20 Monaten lediglich rund 320 Tage gearbeitet hätte.
Diese Einschätzung ging auf eine besondere Regelung für Ex-Häftlinge zurück. Das Bundessozialgericht (BSG) bestimmte im aktuellen Urteil jedoch, dass die benachteiligende Praxis nicht rechtmäßig ist. Der Betroffene hat somit einen Anspruch auf Nachzahlung des ihm 2012 zustehenden ALG 1.
Zwischen Februar 2012 und August 2016 wurden Ex-Häftlinge gesondert behandelt
Gewöhnlich werden Samstage, Sonn- und Feiertage bei der Prüfung, ob Betroffene Anspruch auf ALG 1 haben, mitgezählt. Im Februar 2012 änderte sich diese Prinzip jedoch für Häftlinge: Auf Anweisung der Agentur für Arbeit zogen Justizvollzugsanstalten die genannten Tage in der notwendigen Arbeitsbescheinigung ab. Daraus ergab sich ein Ungleichgewicht:
- Gewöhnlichen Arbeitnehmern werden pro Jahr 365 gearbeitete Tage angerechnet
- Ex-Häftlingen wurden pro Jahr, in welchem sie im Gefängnis gearbeitet haben, ca. 260 gearbeitete Tage berechnet.
Im August 2016 beendete eine Gesetzesanpassung die ungleiche Behandlung von Ex-Häftlingen. Das BSG bestimmte nun, dass auch für den Zeitraum zwischen Februar 2012 und August 2016 für alle Antragsteller Samstage, Sonn- und Feiertage bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen zum Erhalt von ALG 1 erfüllt sind, mitgezählt werden müssen.
Weitere Klagen zum Nachzahlungsanspruch auf ALG 1 nach einer Haftstrafe möglich
Das richtungsweisende Urteil des BSG könnte dazu führen, dass in Zukunft weitere Ex-Häftlinge vor Gericht ziehen, welchen zwischen 2012 und 2016 der Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 verweigert wurde, obwohl sie alle Voraussetzungen dazu erfüllten.