Hartz-4-Reformen – Umbruch der deutschen Arbeitsmarktpolitik

Wichtig! Zum 1. Januar 2023 wurde in Deutschland das Bürger­geld eingeführt, welches Hartz 4 ersetzt. Hier finden Sie weitere Informationen zum Bürgergeld.

Das Wichtigste zur Hartz-4-Reform in Kürze

Wie kam es zur Hartz-Reform?

Ihren Ursprung hat die Hartz-Reform in der gestiegenen Arbeitslosigkeit Anfang der 2000er-Jahre. Um die Kosten der Arbeitslosigkeit zu senken und Menschen schneller in Arbeit zu vermitteln, brauchte es umfassende Sozialreformen.

Was bedeutet die Einführung von Hartz 4?

Von allen Reformen – Hartz I bis IV – ist Hartz-4 für die Bevölkerung die bedeutendste. Die Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurde zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zusammengefügt, das neue Arbeitslosengeld I (ALG I) kann nur noch ein Jahr statt der vormals drei Jahre Arbeitslosenhilfe bezogen werden.

Wie hoch sind die Hartz-4-Regelsätze?

Seit der Einführung wurden die Regelsätze immer wieder angepasst; Anfang 2021 wurden sie auf 446 Euro für eine alleinstehende Person angehoben. Trotzdem gibt es viel Kritik: Vor allem Gewerkschaften und Sozialverbände machen die Hartz-Reformen dafür verantwortlich, dass die Angst vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg in Deutschland größer geworden ist.

Ursprung der Hartz-Reformen

Über Hartz-4-Reformen entscheidet zunächst der Bundestag und dann der Bundesrat.
Über Hartz-4-Reformen entscheidet zunächst der Bundestag und dann der Bundesrat.

Rund um die Jahrtausendwende stand es schlecht um den deutschen Arbeits­markt. Nicht nur die hohe Arbeitslosenquote von rund vier Millionen bereitete Sorgen, auch der sogenannte Vermittlungsskandal erschütterte die deutsche Medienlandschaft. Es kam heraus, dass bereits seit den 1980er Jahren Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit manipuliert und Statistiken zur Arbeitslosigkeit so positiv beeinflusst worden waren.

Dieser Skandal führte unter anderem dazu, dass Bernhard Jagoda, der damalige Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, zurücktreten musste. Viel bedeutender war jedoch die Einberufung der „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ unter dem Vorsitz des damaligen VW-Vorstandsmitgliedes Peter Hartz.

Von dieser Kommission wurden die als Hartz-Reformen bekannten Änderungen bezüglich des Arbeitsmarktes erarbeitet, die das alltägliche Leben von Millionen Menschen in Deutschland verändern sollten und deren Auswirkungen auch heute täglich spürbar sind. Welche sozialrechtlichen Umbrüche durch diese Neuregelungen der Politik ausgelöst wurden und welche Änderungen von Hartz 4 schon 2014 besprochen, jedoch erst im August 2016 in Kraft traten, erfahren Sie im folgenden Ratgeber.

Hartz-IV-Reformen schaffen es immer in die Schlagzeilen.
Hartz-IV-Reformen schaffen es immer in die Schlagzeilen.

Anfang der 2000er-Jahre war die Arbeitslosigkeit in Deutschland ganz besonders hoch. Waren 1992 knapp unter drei Millionen Menschen ohne Arbeit, so stieg die Zahl in den folgenden zehn Jahren laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit um rund eine Millionen Menschen auf vier Millionen an – eine besorgniserregende Entwicklung.

Um die Kosten der Arbeitslosigkeit zu senken und mehr Menschen schneller in Arbeit zu bringen, waren Sozialreformen und Neuerungen in der Wirtschaft nötig, die von der Hartz-Komission – benannt nach ihrem Vorsitzenden Peter Hartz – ausgearbeitet und im Laufe von drei Jahren sukzessive umgesetzt wurden.

Dieser Vorgang fand in vier Phasen statt, die Hartz I bis IV benannt wurden. Von diesen ist wohl die letzte Reform, also Hartz 4, am bedeutendsten, da sie für die Arbeitslosen in Deutschland viele Veränderungen mit sich brachte, die nicht nur auf die finanziellen Mittel, sondern das alltägliche Leben an sich gravierende Auswirkungen hatte.

Hartz-Reformen: Eine Übersicht

Die Hartz-Reformen setzen sich aus vier verschiedenen Bestandteilen zusammen. Das Erste und Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – kurz Hartz I und II – traten am 1. Januar 2003 in Kraft.

Ein wichtiger Punkt, der von Hartz I behandelt wurde, war das Thema Leiharbeit. Mit Hilfe von gesetzlichen Änderungen sollte sowohl die Qualität der Arbeit verbessert als auch die Akzeptanz in der Gesellschaft erhöht werden.

Die Hartz-Reformen brachten Veränderungen bei der Leiharbeit mit sich.
Die Hartz-Reformen brachten Veränderungen bei der Leiharbeit mit sich.

Zu diesem Zweck sollten Zeitarbeiter in Deutschland genauso bezahlt und behandelt werden wie festangestellte Arbeiter. Dieses Prinzip wird auch „Equal Pay und Equal Treatment“ genannt. Von diesem konnte jedoch abgesehen werden, wenn Tarifverträge bestehen. Arbeitgeber bekamen dafür die Erlaubnis, Zeitarbeiter unbefristet einzustellen.

Außerdem wurden sogenannte Personal-Service-Agenturen (PSA) eingerichtet. Hierbei handelte es sich um von privaten Trägern geleitete Leiharbeitsunternehmen. Diese sollten Arbeitslose einstellen und dann zeitlich befristet an Unternehmen verleihen.

Wenn keine passende Stelle vorhanden war, sollten die Beschäftigten weitergebildet werden. Auf Grund von Problemen wurden die PSA jedoch 2009 im Zuge von neuen Hartz-Reformen abgeschafft.

Ein weiteres eingeführtes Konzept war die sogenannte „Ich-AG“. Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollten, konnten finanzielle Zuschüsse für eine Dauer von bis zu drei Jahren beantragen. Die „Ich-AG“ erzeugte jedoch zu hohe Kosten und wurde deshalb durch neue Hartz-Reformen im Jahr 2006 abgeschafft. Seitdem können Selbstständige ein Einstiegsgeld oder andere Leistungen zur Eingliederung erhalten.

Bei Aufnahme einer sozialpflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit können ALG-II-Empfänger für maximal 24 Monate ein sogenanntes Einstiegsgeld erhalten. Wie hoch dieses ausfällt, hängt davon ab, wie lange die Person arbeitslos war und wie groß die Bedarfsgemeinschaft ist, in der sie lebt.

Bis heute erhalten haben sich die Mini- und Midi-Jobs. Geringfügig beschäftigte Personen konnten davon profitieren, dass sie bei einem Arbeitsentgelt von bis zu 400 Euro gar keine Sozialversicherungsbeiträge und bis zu einem Verdienst von 800 Euro nicht die vollen Beiträge bezahlen mussten. Im Jahr 2013 wurden diese Summen im Zuge von Hartz-Reformen auf 450 bzw. 850 Euro angehoben. Im Jahr 2022 liegen die Grenzen bei 520 Euro für den Minijob und 1.600 Euro für den Midijob.

Die Hartz-Reformen haben die Angst vor dem sozialen Abstieg verstärkt.
Die Hartz-Reformen haben die Angst vor dem sozialen Abstieg verstärkt.

Hartz III, welches 2004 in Kraft trat, hatte Auswirkungen auf die zuständigen Behörden. Die Bundesanstalt für Arbeit – auch Arbeitsamt genannt – wurde umgebaut und neu strukturiert. Seitdem heißt sie Bundesagentur für Arbeit. Sie besteht aus einer in Nürnberg sitzenden Zentrale, Regionaldirektionen sowie den örtlichen Agenturen für Arbeit.

Außerdem wurden mit den Hartz-Reformen auch die sogenannten Jobcenter eingeführt. Diese sind für die Betreuung von Personen zuständig, die Arbeitslosengeld II (ALG 2) – umgangssprachlich auch Hartz 4 genannt – beziehen. Zuvor war hierfür im Falle der Arbeitslosenhilfe das Arbeitsamt bzw. beim Bezug von Sozialhilfe das Sozialamt verantwortlich.

Hartz 4: Folgen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe

Für die Bevölkerung am bedeutendsten war jedoch die neue Hartz-4-Reform. Diese trat in den meisten Punkten am 1. Januar 2005 in Kraft. Ein wichtiger Aspekt betraf die Umgestaltung der damaligen Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Diese beiden Posten wurden zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zusammengelegt, für welches von nun an nur noch eine Behörde, nämlich das Jobcenter, zuständig war.

Vor den Hartz-4-Reformen konnten Arbeitslose bis zu drei Jahre lang Arbeitslosenhilfe beziehen. Die Höhe der finanziellen Leistungen hing vom vorherigen Einkommen ab. Durch die ALG-II-Reform jedoch wurde dieser Zeitraum verkürzt. Das neue Arbeitslosengeld I kann nunmehr maximal ein Jahr lang bezogen werden. Danach rutschen die Betroffenen automatisch in das ALG II.

Außerdem wurden die sogenannten Ein-Euro-Jobs – die von den Behörden offiziell als „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ bezeichnet werden – eingeführt. Diese sollen von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen dabei helfen, eine gewisse Struktur in den Tagesablauf zu bringen und sie dadurch für den Arbeitsmarkt fit machen.

Die Hartz-4-Reformen hatten eine so große Bedeutung, dass sie Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat. Die finanziellen Leistungen, die Arbeitslosen zustehen, heißen strenggenommen Arbeitslosengeld II (kurz ALG II). In der Umgangssprache eingebürgert hat sich jedoch die Bezeichnung Hartz IV. Diese wurde 2004 sogar von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gewählt.

Doch nicht nur das Substantiv an sich wird verwendet. Hieraus hat sich das Verb „hartzen“ entwickelt, welches das Beziehen von Sozialleistungen beschreibt. Und auch eine adjektivische, also beschreibende, Verwendung lässt sich feststellen. So steht der abwertende Begriff „Hartz-IV-Fernsehen“ etwa für ein Fernsehprogramm, welches vornehmlich von sozial und finanziell schwächer gestellten Menschen geschaut wird.

Reform von Hartz 4 – Regelmäßige Anhebung des Regelsatzes

Eine Hartz-4-Reform muss vom Bundesrat verabschiedet werden.
Eine Hartz-4-Reform muss vom Bundesrat verabschiedet werden.

Im Laufe der Jahre wurden immer wieder Änderungen bei Hartz 4 vorgenommen. Für die Leistungsberechtigten von besonderem Interesse sind natürlich die Anhebungen des Regelsatzes. Betrug dieser zu Beginn von Hartz 4 für eine alleinstehende Person noch 345 (West) bzw. 331 Euro (Ost), so wurde stetig erhöht.

Durch Hartz-4-Änderungen im Jahr 2014 wurde der Regelsatz beispielsweise bundesweit auf 353 Euro erhöht. Im Jahr 2016 betrug er noch 404 Euro für eine alleinstehende Person und stieg Anfang 2017 auf 409 Euro an. Wie hoch der aktuelle Regelsatz ausfällt, können Sie dieser Tabelle entnehmen:

LeistungsberechtigteMonatlicher Regelsatz 2023 in EuroMonatlicher Regelsatz 2024 in Euro
Alleinstehende / Alleinerziehende502563
Bedarfsgemeinschaften (pro Partner)451506
Junge Erwachsene von 18 bis 25 Jahren402451
Jugendliche von 14 bis 17 Jahren420471
Kinder von 6 bis 13 Jahren348390
Kinder von 0 bis 5 Jahren318357

Aktuelle Hartz-4-Reform: Änderungen ab dem 1. August 2016

Eine Hartz-4-Reform, die bereits 2014 geplant wurde und eigentlich schon 2015 in Kraft treten sollte, wurde zum 1. August 2016 endgültig umgesetzt. Sie umfasst unter anderem folgende Punkte:

Hartz-4-Änderungen, die schon 2014 geplant wurden, traten erst im August 2016 in Kraft.
Hartz-4-Änderungen, die schon 2014 geplant wurden, traten erst im August 2016 in Kraft.
  • Verlängerung des Bewilligungszeitraums von sechs auf zwölf Monate. Dies soll zu einer Verringerung des Verwaltungsaufwandes führen.
  • Auszubildende und Studierende, die bei ihren Eltern wohnen und BAföG erhalten, können nun auch in einigen Fällen ergänzend ALG 2 erhalten. Dies war vorher grundsätzlich ausgeschlossen. Als SGB-II-Aufstocker haben die Azubis und Studenten auch Anspruch auf das gesamte Leistungsspektrum des SGB II.
  • Ein-Euro-Jobs können seit den neuen Hartz-4-Reformen während eines Zeitraums von fünf Jahren nun maximal 36 Monate ausgeübt werden. Zuvor waren dies nur 24 Monate.
  • Die Hartz-4-Reform, die vom Bundesrat verabschiedet wurde, umfasst auch Neuerungen bezüglich der Bewertung von Miet- und Heizkosten. Diese müssen nicht mehr allein für sich gesehen, sondern in ihrer Summe (Bruttowarmmiete) angemessen sein. Sind die Heizkosten also etwas zu hoch, kann dies durch eine günstigere Miete ausgeglichen werden.
  • Hartz-4-Empfänger im Alter unter 25 Jahren sollen zusätzliche Unterstützungs- und Betreuungsleistungen erhalten, damit sie besser auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden können.

Ursprünglich war im Rahmen dieser Hartz-4-Reformen auch geplant, dass die strengeren Sanktionsregeln für unter 25-Jährige abgeschafft werden sollten.

Ziel war es, dass für alle Leistungsbezieher von ALG II die gleichen Strafmaßnahmen bei Pflichtverletzungen angeordnet werden.

Doch dies wurde von Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles abgelehnt.

Die Auswirkungen der Hartz-Reformen, vor allem von Hartz IV, werden heute unterschiedlich bewertet. Befürworter heben hervor, dass sie die Weichen für das deutsche Jobwunder gestellt haben, im Zuge dessen die Zahl der Arbeitslosen auf aktuell ca. 2,6 Millionen (Stand September 2016) gesenkt werden konnte.

Kritiker, allen voran Gewerkschaften und Sozialverbände, machen die Hartz-Reformen jedoch für eine zunehmende soziale Kälte in Deutschland verantwortlich. Da Arbeitslose schon nach einem Jahr ins ALG II hineinrutschen, sei die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust und dem sozialen Abstieg groß. Außerdem wachse der Niedriglohnsektor stark an. Und gerade die Problemgruppe der Langzeitarbeitslosen schaffe es nur in seltenen Fällen erfolgreich in den Arbeitsmarkt.

Unter diesen Voraussetzungen ist es kein Wunder, dass auch viele Jahre nach ihrem Inkrafttreten weitergehende Hartz-Reformen gefordert werden.

Änderungen während der Corona-Krise

Ende Januar gab es den ersten bestätigten Corona-Fall in Deutschland. Nur wenige ahnten wohl zu Beginn, wie stark sich das Coronavirus auf das Leben der Menschen auswirken würde. Vor allem die Lockdowns beeinflussten viele Branchen – wie etwa die Gastronomie – in negativer Weise.

Viele verloren ihre Jobs. Aus diesem Grund beschloss die Bundesregierung, den Zugang zu Hartz-4-Leistungen zu vereinfachen. Bei einem Antrag wurde in vielen Fällen keine Vermögensprüfung durchgeführt. Ebenso entfiel im Rahmen dieser Hartz-4-Reformen die Überprüfung, ob die Miet- und Heizkosten angemessen waren.

Ab 2023: Weg frei für das Bürgergeld

Wie wir bereits erwähnt haben, hat das Hartz-4-System schon seit Beginn für viel Kritik gesorgt. Das führte schlussendlich dazu, dass die Bundesregierung im Jahr 2022 beschloss, das Arbeitslosengeld II durch das sogenannte Bürgergeld abzulösen.

Alleinstehende Erwachsene werden dabei ab Januar 2023 monatlich 502 Euro erhalten. Das Schonvermögen wird auf 40.000 Euro für die erste Person angehoben. Viele weitere Informationen rund um das Bürgergeld haben wir in diesem Ratgeber für Sie zusammengefasst.

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Über den Autor

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Meike Z.

Seit 2016 unterstützt Meike das Redaktionsteam von arbeitslosenselbsthilfe.org. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen unter anderem das Arbeitslosengeld 1, das Bürgergeld und die Grundsicherung.

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