Das Wichtigste zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit in Kürze
Anhand unserer Auflistung veranschaulichen wir Ihnen, was mit dem Begriff genau gemeint ist.
Das Prinzip (auch Übermaßverbot genannt) kommt überall dort zur Anwendung, wo staatliche Maßnahmen ergriffen werden. Das trifft also auf etliche Rechtsbereiche zu.
Ja, das Bundesverfassungsgericht hat im November 2019 festgestellt, dass die Sanktionen diesen Grundsatz nicht immer erfüllen. Mehr dazu hier.
Inhalt
Eine Definition der Verhältnismäßigkeit
Erfüllen Arbeitslose und Empfänger von Hartz 4 (Arbeitslosengeld II/ALG 2) die Auflagen, die das Jobcenter ihnen stellt, nicht, können sie eine Sanktion erhalten. Wie diese genau ausfällt, legt im Regelfall der jeweilige Sachbearbeiter fest.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 5. November 2019 entschieden, dass 100- und sogar 60-prozentige Sanktionen verfassungswidrig sind. Daher ist aktuell (Stand Mai 2020) nur eine 30-prozentige Sanktionierung möglich. Der Gesetzgeber muss nun entsprechend handeln und das Urteil in neuen Sanktionierungsrichtlinien berücksichtigen. Generell muss bei einer Sanktion – egal in welcher Form – immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Anwendung kommen.
Da es für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine konkrete Definition im klassischen Sinne gibt, wollen wir Ihnen anhand folgender Aufzählung deutlich machen, was das Prinzip eigentlich meint:
- Legitimer Zweck: z. B. erreichen, dass eine Person wieder einer Arbeit nachgeht
- Geeignetes bzw. legitimes Mittel: z. B. Sanktionierung durch das Jobcenter, weil Auflagen verletzt wurden (ein illegitimes Mittel wäre hier bspw. die Todesstrafe, da sie außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit steht), Arbeitsloser soll durch die Sanktionierung mehr oder weniger gedrängt werden, sich an die Auflagen zu halten
- Erforderlichkeit: Gibt es noch andere Mittel, die geeignet wären, den angestrebten Zweck zu erfüllen? Dann sind diese einzusetzen, damit der Grundsatz der Erforderlichkeit bzw. Verhältnismäßigkeit als erfüllt gelten kann.
- Angemessenheit: Wie stehen die resultierenden Nachteile aus der Maßnahme im Verhältnis zu den Vorteilen? Hierbei sollte eine Abwägung erfolgen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist wortwörtlich nur an wenigen Stellen im deutschen Gesetz zu finden, gilt jedoch generell für jede Art von staatlicher Maßnahme. Das kann nicht nur bei Hartz-4-Sanktionen wichtig werden, sondern beispielsweise auch bei Polizeieinsätzen. Ein Eingriff in die Grundrechte durch etwa eine polizeiliche Maßnahme, aber auch bei der Sanktionierung von Arbeitslosen muss daher wohl überlegt sein.
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit in der Praxis
Ein solcher Eingriff wie eben beschrieben wurde in Form einer 60- und 100-prozentigen Sanktionierung von Hartz-4-Empfängern durch das Bundesverfassungsgericht als „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“ (Az.: 1 BvL 7/16) eingestuft. In dem Urteil heißt es zwar in Bezug auf die Erforderlichkeit einer 30-prozentigen Sanktion:
Die Regelung verletzt insgesamt auch nicht die hier strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
Die Verfassungsrichter unterstützen die Annahme, dass zur Durchsetzung der Zwecke (Auflagen erfüllen bzw. um eine Anstellung bemühen) keine milderen Mittel als eine 30-Prozent-Kürzung der Leistungen in Frage kämen, damit Betroffene ihren Pflichten nachkommen. Allerdings sehen die Richter den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer 100-Prozent-Sanktion als nicht erfüllt an. Sie bezeichnen diese als „nicht mit den hier strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit vereinbar.“
Um für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf das Beispiel mit der Polizei zurückzukommen: Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist hier sogar gesetzlich wörtlich verankert:
(1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (§ 15 Abs. 1 und 2 Bundespolizeigesetz)
Haben Sie das Gefühl, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit etwa bei einer Sanktionierung durch das Jobcenter nicht eingehalten wurde, können Sie sich an einen Anwalt für Sozialrecht wenden. Dieser kann auf Wunsch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vornehmen.