Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2019 (Az.: B 11 AL 14/18 R, B 11 AL 17/18 R) sind zahlreiche Sperrfristen, die zwischen Anfang 2015 und Juni 2019 verhängt wurden, nicht rechtens. Menschen, die von Arbeitslosengeld (ALG) II (Hartz 4) oder ALG I leben, können diese unter Umständen rückwirkend anfechten. Die Arbeitsämter reagieren nun, indem sie vorerst nur noch dreiwöchige Sperrzeiten für Arbeitslosengeld-Bezieher verhängen.
Rechtsfolgenbelehrung lässt nicht erkennen, wann welche Sperrfrist droht
Der Kläger in einem der beiden Fälle (Az.: B 11 AL 14/18 R) nahm die vom Arbeitsamt vorgeschlagenen Maßnahmen und Vermittlungsangebote aus verschiedenen Gründen nicht an.
Da ein Bescheid darüber ausblieb, ob nun etwa dreiwöchige Sperrzeiten für den Arbeitslosengeld-Bezieher drohen oder gar eine Frist von mehreren Monaten, nachdem er sich zum ersten Mal versicherungswidrig verhalten hatte, konnte dieser nicht genau abschätzen, welche Sperrfrist in welcher Länge bei weiteren Verstößen droht. Die Belehrung über rechtliche Folgen in ihrer aktuellen Form besagt:
„Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch Ihr Verhalten verhindern (z. B. indem Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein […]. Sie dauert längstens 12 Wochen. Die Sperrzeit dauert drei Wochen bei erstmaligen versicherungswidrigen Verhalten (§ 144 Abs. 4 Nr. 1 SGB III), sechs Wochen bei dem zweiten versicherungswidrigen Verhalten (§ 144 Abs. 4 Nr. 1 SGB III).“
In dieser Form ist die Belehrung nun unwirksam, wie die Richter feststellten. Das ist der Grund, warum die Bundesagenture für Arbeit (BA) zunächst nur noch dreiwöchige Sperrzeiten verhängt. So eine Belehrung erfolgt beispielsweise dann, wenn ein Arbeitsloser Vermittlungsangebote oder Maßnahmen zur Eingliederung vorgeschlagen bekommt wie etwa der Kläger in besagtem Fall.
Arbeitsagentur verhängt nur noch dreiwöchige Sperrzeiten für Arbeitslosengeld-Bezieher
Die Richter haben klargestellt, dass auf dreiwöchige Sperrzeiten für Arbeitslosengeld-Bezieher nur dann weitere Sperrfristen mit einer Länge von sechs bis zwölf Wochen folgen dürfen, wenn die Arbeitsagentur
- einen Bescheid über eine vorausgegangene Sperrfrist erteilt hat und sie den Erwerbslosen
- in einer konkret formulierten und auf den jeweiligen Fall abgestimmten Rechtsfolgenbelehrung auf die weiteren Konsequenzen seines versicherungswidrigen Verhaltens hinweist.
In der derzeit üblichen Praxis weist die Belehrung über mögliche Sanktionen Sperrfristen in allen drei Formen (drei, sechs und zwölf Wochen) aus und wiederholt damit lediglich den Gesetzestext. „Mit den Grundsätzen einer individuellen Vermittlung ist verbunden, dass hinsichtlich der leistungsberechtigten Konsequenzen im konkreten Fall belehrt werden muss“, wie es in dem Urteil heißt.
Weil die Arbeitsämter den nun verschärften Anforderungen noch nicht nachkommen können, bleibt die Belehrung in ihrer aktuellen Form zunächst erhalten. Dafür werden allerdings vorübergehend nur dreiwöchige Sperrzeiten für Arbeitslosengeld-Bezieher verhängt – auch dann wenn bereits der zweite oder dritte Verstoß vorliegt.
Jene, die ab 2015 einen Bescheid über eine Sperrfrist erhalten haben, können einen Überprüfungsantrag auf Grund einer fehlerhaften Entscheidung nach § 44 SGB X bei der Arbeitsagentur stellen.